Trotz „Fahrradhelm-Urteil“: Nur mit Helm auf den Sattel

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute entschieden, dass Radfahrer nicht mitschuldig an Unfallfolgen sind, wenn sie keinen Helm tragen. Hintergrund dieser höchstrichterlichen Entscheidung war ein aufsehenerregendes Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein, das einer Fahrradfahrerin, die ohne Helm bei einem Verkehrsunfall schwer am Kopf verletzt wurde, eine Mitschuld zugewiesen hatte. Die Frau war an einem am Straßenrand parkenden Auto vorbeigefahren. Unmittelbar vor ihr öffnete die Pkw-Fahrerin die Tür, die Radlerin stürzte und zog sich eine schwere Schädel-Hirn-Verletzung zu.

Das Nichttragen eines Fahrradhelms führt nach Auffassung des BGH nicht zu einer Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens. Für Radfahrer sei das Tragen eines Schutzhelms nicht vorgeschrieben.

Foto: DVR
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Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) weist im Zuge des BGH-Urteils darauf hin, dass Fahrradfahrer ohne Helm gefährdeter für Kopfverletzungen sind. Nach Angaben von Professor Dietmar Otte, Leiter der Verkehrsunfallforschung an der Medizinischen Hochschule Hannover, ist die Verletzungsschwere bei Radfahrern ohne Helm höher als bei den Unfallopfern, die mit Kopfschutz unterwegs waren. Bei 7.000 ausgewerteten Radfahrunfällen im Zeitraum 2000 bis 2012 erlitten 40 Prozent der Radler ohne Helm Kopfverletzungen, bei denen mit Helm lag der Anteil bei 30 Prozent. „Der Helm schützt besonders vor schweren Verletzungen. Wir konnten sowohl für Schädelfrakturen als auch für Schädel-Basis-Frakturen und schwere Schädel-Hirn-Verletzungen ein Reduktionspotenzial von 70 bis 80 Prozent ermitteln“, erläutert der Wissenschaftler. Grundlage sind Zahlen der GIDAS-Datenbank (German In-Depth Accident Study), die Verkehrsunfälle mit Personenschäden umfassend dokumentiert.

Rund zwei Drittel aller untersuchten Radfahrunfälle gingen übrigens auf eine Kollision mit einem Pkw zurück, ein Fünftel waren isolierte Stürze von Radfahrern auf öffentlichen Straßen.

Tatsache ist, die Deutschen sind Fahrradhelmmuffel. Nach Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) liegt die Helmtragequote bei 15 Prozent. Immerhin tragen 66 Prozent der Sechs- bis Zehnjährigen und 29 Prozent der Elf- bis 16‑Jährigen einen Fahrradhelm. Doch gerade für ältere Erwachsene zeigt sich laut Professor Otte ein Fahrradhelm aus biomechanischer Sicht altersbedingter Verletzungsentstehung als besonders effektiv.

Die meisten Experten sind sich einig: Das Tragen eines Fahrradhelms erhöht die Chance, einen Unfall ohne oder mit einer geringeren Kopfverletzung zu überstehen. Auch der DVR spricht diese Empfehlung aus: „Hirnverletzungen könnten deutlich reduziert werden, wenn bei einem Unfall ein Helm getragen wird“, sagt DVR-Präsident Dr. Walter Eichendorf. Er appelliert an alle Fahrradfahrer, nur „oben mit“ unterwegs zu sein. Um die Helmtragequote zu erhöhen, sei weitere Präventionsarbeit notwendig.

– Pressemeldung des DVR Deutscher Verkehrssicherheitsrat –