Alter allein bedeutet keine höhere Gefährdung

DVR-Förderpreis „Sicherheit im Straßenverkehr“ für junge Wissenschaftler

Seniorin am Steuer. Foto: ADAC.
Seniorin am Steuer. Foto: ADAC.
Der Förderpreis „Sicherheit im Straßenverkehr“ des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) wurde gestern im Rahmen des 18. Workshops „Psychologie der Arbeitssicherheit und Gesundheit“ im Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG) in Dresden vergeben. Die Auszeichnung umfasst drei Preisträger und ist mit insgesamt 7.500 Euro dotiert.

Den ersten Preis erhielt Peter Sturmeit von der TU Dresden. Er hat in seiner Arbeit untersucht, ob sich ältere Autofahrer in ihrem Verhalten während einer Autobahnfahrt systematisch von jüngeren Fahrern unterscheiden. Als Kriterien wurden defensives Fahren, gewählte Höchst- und Durchschnittsgeschwindigkeit, Zahl der Überholvorgänge, die Wahl des Fahrstreifens, regelkonformes Fahren, die Nutzung der Spiegel sowie erhöhte Vorsicht und Rücksichtnahme gewählt. Zudem wurde überprüft, ob zum Beispiel mit Hilfe von Leistungsfähigkeitstests eine Vorhersage des Fahr- und Fahrerverhaltens möglich ist. Die Datenerhebung erfolgte dabei über eine 90-minütige Fahrprobe im realen Verkehr (davon 21 Kilometer Autobahn), über Messungen verkehrsrelevanter Kennwerte der funktionalen Leistungsfähigkeit (periphere Wahrnehmung, Reaktionsfähigkeit, Zweihand-Koordination, Sehschärfe und Gesichtsfeld) im Labor und über Befragungen per Fragebogen (Verkehrsauffassung, Risikobereitschaft im Verkehr, verkehrsrelevante Persönlichkeitseigenschaften). An der Untersuchung nahmen 114 Probanden zwischen 27 und 90 Jahren teil. Zusammenfassend konnte gezeigt werden, dass das Alter allein keine bedeutsamen Gefährdungserhöhungen nach sich zieht, nur in Kombination mit gewissen Faktoren. Auch scheint im Alter bis 75 sogar eine gewisse kompensatorische Vorsicht zu gelten. Praxisuntersuchungen mit noch älteren Fahrern stehen noch aus.

Über den zweiten Platz freute sich Isabelle-Bianca Hoth von der Bergischen Universität Wuppertal. Ihre Arbeit untersucht das Risikopotenzial und die Wirkung geschwindigkeitsdämpfender Maßnahmen in Wohnsammelstraßen (Straßen, die den Verkehr mehrerer Wohngebiete zu Hauptverkehrsstraßen leiten). Nach einer Literaturrecherche wurden zunächst die Unfälle der Jahre 2008 bis 2012 aus fünf ausgewählten Wohnsammelstraßen mit Tempobegrenzung auf 30 km/h umfangreich analysiert. Hier zeigte sich, dass sich dort überwiegend leichte Unfälle ereignen – häufig Unfälle durch ruhenden Verkehr. Auffällig war, dass in Straßen mit geschwindigkeitsreduzierenden Maßnahmen mehrere Unfälle an Einengungen und Engstellen verursacht wurden. Anschließend wurden verschiedene geschwindigkeitsbeeinflussende Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin verglichen. Dabei wurde die Geschwindigkeit der Verkehrsteilnehmer gemessen. Die Messungen wurden ergänzt durch Verkehrs- und Konfliktbeobachtungen. Wirkungsvoll erwiesen sich insbesondere der Versatz der Fahrbahn und Rechts-vor-Links-Regelungen sowie unter bestimmten Umständen auch stationäre Geschwindigkeitsmesser und Querschnittgestaltungen. Aufpflasterungen und Einengungen hingegen wiesen keinen Effekt auf die Geschwindigkeit auf. Am wirkungsvollsten war eine Kombination von Maßnahmen. Diese Erkenntnisse sind – sofern generalisierbar – interessant für die Gestaltung von Straßen mit Geschwindigkeitsbeschränkung.

Die dritte Preisträgerin, Olivia Twrdy von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, hat in ihrer Arbeit analysiert, wie sich elektronische Fahrerassistenzsysteme (FAS) auf die Entstehung von Risikokompensation auswirken. Bei fast allen Systemen wurde eine Verhaltensadaptation oder Risikokompensation festgestellt, wenn auch nicht in allen Studien. Die Effekte waren unterschiedlich stark, bei den meisten war ein Sicherheitsnutzen für die Fahrzeughalter zu verzeichnen. Unfallverschiebungen auf schwächere Verkehrsteilnehmer wurden ebenfalls gefunden. Vor der Diskussion um teil- und vollautomatisiertes Fahren ist diese Thematik sehr bedeutsam. Darüber hinaus werden Bedingungen genannt, die die Wahrscheinlichkeit unerwünschter Nebeneffekte reduzieren und somit bereits bei der Gestaltung, Zulassung und Verwendung der FAS berücksichtigt werden sollten. Die Zusammenfassung ist gerade jetzt besonders relevant, da die Automobilindustrie großen Druck ausübt, FAS und vollautomatisiertes Fahren einzuführen, ohne jedoch die Verhaltensseite auch nur annähernd untersucht zu haben.

Die Jury für den Förderpreis „Sicherheit im Straßenverkehr“ setzte sich aus Professor Dr. Rüdiger Trimpop von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Dr. Torsten Kunz, Präventionsleiter der Unfallkasse Hessen, und Jochen Lau, Referatsleiter Unfallprävention – Wege und Dienstwege beim DVR, zusammen.

– Pressemitteilung des DVR Deutscher Verkehrssicherheitsrat –