Hartz IV: Eltern können Anrecht auf einen Kindersitz haben

Sozialgerichtsurteil: Jobcenter darf nicht gegen Straßenverkehrsordnung verstoßen
Von Petra Grünendahl

Eine junge Mutter ohne Einkommen und angewiesen auf Hartz IV, beantragte neben einem zweiten Satz Babybettwäsche zum Wechseln auch einen Babykindersitz für das Auto, weil die Großmutter das Baby regelmäßig mit dem Auto abholt. Die Behörde verweigerte sowohl das eine als auch das andere. Das Jobcenter war der Ansicht, dass die herkömmliche Tragetasche eines Kinderwagens völlig ausreichen würde.

Kinder müssen im Auto richtig gesichert werden. Foto: ACE / Emmerling.
Kinder müssen im Auto richtig gesichert werden. Foto: ACE / Emmerling.
Das Sozialgericht Heilbronn gab jedoch der Mutter Recht. Die Straßenverkehrsordnung (§21 Ia StVO) schreibe fest, dass Kinder unter 12 Jahren (oder bis 1,50 Meter Körpergröße) im Kraftfahrzeug nur in geeigneten Rückhaltesystemen transportiert werden dürfen. Die Behörde nahm die offensichtliche Gefährdung des Kindes in Kauf und wollte sich damit über geltendes Recht stellen. Das angerufene Sozialgericht Heilbronn stellte sich nicht nur auf Seiten der Mutter, sondern verteidigte damit auch das Gesetz: „Ausgehend vom konkreten Bedarf des Neugeborenen, der von seinen Großeltern regelmäßig in deren Pkw transportiert wird, komme es nicht darauf an, dass die Eltern selbst über kein Auto verfügen. Anders als das beklagte Jobcenter offensichtlich meine, könne der Säugling auch nicht im Auto mit einer herkömmlichen Tragetasche eines Kinderwagens befördert werden. Denn Kinder bis zum zwölften Lebensjahr müssten im Auto grundsätzlich durch besondere Rückhaltesysteme, wie hier beispielsweise durch einen geeigneten Autobabysitz, geschützt werden“, hieß es in der Urteilsbegrünung mit dem Verweis auf geltendes Recht, dem sich nicht nur Eltern/Großeltern bzw. jegliche Führer eines Kraftfahrzeugs beim Transport von Kindern zu beugen haben, sondern auch die deutschen Sozialbehörden.

Im Übrigen wurde das Jobcenter auch zur Zahlung eines zweites Satzes Babybettzeug verurteilt: Es sei unzumutbar, verschmutzte Stellen lediglich mit einem Handtuch abzudecken und das Baby in verdreckter Bettwäsche schlafen zu lassen. Hygienebedingt habe die Mutter Anspruch auf einen zweiten Satz Bettwäsche zum Wechseln.

Sozialgericht Heilbronn, Az: S 11 AS 44/15.

© 2015 Petra Grünendahl (Text)
Foto: ACE / Emmerling