In einer eMail, die mich letztens mit einer Nachfrage zur Notwendigkeit von Winterreifen erreichte, war zu lesen: „da man ja mit Allrad über jeden Zweifel erhaben ist.“ Meine Antwort: „Allrad reduziert Bremswege ungemein, vor allem auf Schnee! Warum wollen Sie dann eigentlich nicht gleich Sommerreifen über das ganze Jahr (statt Ganzjahresreifen) fahren?“ 😉 Ich hoffe, die Ironie ist angekommen!
Gefragt hatte hier der Fahrer eines allradgetriebenen Pkw. Es ging um die Frage: Ganzjahresreifen oder Winterreifen, wobei er in einer schneereichen Region zu Hause ist. Da konnte der Rat nur „Winterreifen aufziehen“ lauten, denn Ganzjahresreifen sind nur für jene Gegenden geeignet, in denen traditionell wenig Schnee fällt.
Obwohl Pkw-Fahrer mittlerweile zu 88 Prozent umrüsten, scheint es – so die Erkenntnisse des Hannoveraner Reifenherstellers Continental aus einer Umfrage – bei den SUV einen Nachholbedarf zu geben. Zumal SUVs schon lange kein Nischenprodukt mehr sind. Satte 11 Prozent Marktanteil haben sie bereits – Tendenz steigend! Zumal immer mehr Hersteller immer mehr Fahrzeuge in diesem Segment anbieten – und damit von der Kompakt- bis zur Luxusklasse alle Märkte abdecken.
Liegt die Nachkaufquote auf dem Ersatzmarkt für Pkw-Reifen bei 55 Prozent Winter- und 45 Prozent Sommerreifen, so liegen bei SUV die Sommerreifen mit 55 Prozent vorne. Dabei ist die Nutzung der SUV im Großen und Ganzen vergleichbar mit der Nutzung von Pkw: Keine – oder nur wenige – Geländefahrten, dafür aber umso mehr Fahrten auf Asphalt und befestigten Straßen. Damit sind auch die Anforderungen an die Reifen ähnlich – im Sommer wie im Winter.
Dass mittlerweile in Deutschland eine witterungsbezogene Winterreifenpflicht gilt, hat sich herumgesprochen. Ansonsten ist das Wissen eher lückenhaft: Wann ist ein Reifen eigentlich ein vollwertiger Winterreifen? SUV (Sports Utility Vehicle) oder Geländewagen sind ab Werk ausgestattet mit grobstolligeren Pneus, die zusätzlich zu ihrer eigentlichen Bestimmung für die warme Jahreszeit die Kennung „M+S“ tragen. Der „M+S“-Schriftzug steht für „Matsch und Schnee“, erfordert aber keine abprüfbaren Wintereigenschaften. Damit werden die Reifen noch lange nicht wintertauglich, denn wirkliche Winterreifen bringen deutlich filigranere Profilstrukturen (inkl. Lamellen für mehr Grip auf Schnee) mit, die ihnen im Gegensatz zu Sommerreifen ermöglichen, mit den Wetterbedingungen im Winter klar zu kommen. Genormt und überprüfbar geeignet für den Winter sind Reifen, die außer dem altbekannten „M&S“-Logo das Logo mit einem stilisierten Gebirge und einer Schneeflocke tragen.
Allradantrieb bietet unbestreitbare Vorteile der der Traktion. Aber nur mit einer angepassten Bereifung lassen sich diese Vorteile das ganze Jahr über nutzen. Echte Winterreifen erfüllen überprüfbare Maßstäbe für die Tauglichkeit bei Kälte und bei Schnee. Das gilt nicht nur fürs Anfahren und die Traktion, sondern auch für Bremsmanöver und für die Seitenführung bei Kurvenfahrten. Zumal allradgetriebene Pkw und SUV heutzutage durchaus sehr sportlich motorisiert sein können.
Von Sportwagen unterscheiden diese SUV allerdings ihr höheres Gewicht (plus 35 Prozent), ein deutlich höherer Karosserieschwerpunkt (plus 35 Prozent) und längere Federwege (plus 60 Prozent). Solche Fahrzeuge brauchen daher Winterreifen, die an ihre Fahreigenschaften und Gewichte angepasst sind. Auch sollten sie die auftretenden Kräfte unter widrigen Bedingungen sicher auf den Asphalt übertragen können. Geländeeigenschaften sind hier im Winter nicht dienlich, wie Reifentests renommierter Allrad-Magazine bewiesen haben. Danach gilt es beim Reifenkauf Ausschau zu halten. Nicht alle Reifenhersteller haben die passenden Pneus – entwickelt für die Eigenschaften eines SUV unter winterlichen Bedingungen auch für höhere Geschwindigkeiten – im Angebot.
Alle Jahre wieder stellt sich beim Aufziehen der Winterreifen, die schon ein paar Winter auf dem Buckel haben, die Frage: Wie lange ist ein Winterreifen eigentlich ein Winterreifen? Wie lange zeigt er ausreichende Wintertauglichkeit? Vier Millimeter Restprofil sollten die Reifen haben, auch wenn der Gesetzgeber 1,6 Millimeter für ausreichend hält (in Österreich liegt diese Messlatte zu Recht höher!). Ansonsten liefern sie keinen ausreichenden Grip auf Schnee mehr und sollten ausgetauscht werden. Damit sollte man sich allerdings beeilen: Sobald der erste Frost oder die erste Schneeflocke kommt, stürmen nämlich auch alle anderen, die spät dran sind, die Reifenhändler.
© Petra Grünendahl, November 2011, Fotos/Grafiken: Continental
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