Forderung der Unfallforschung:
Mehr Schutz für schwächere Verkehrsteilnehmer
Von Petra Grünendahl
„Innerorts“ kollidiert ein Lkw beim Rechtsabbiegen mit einem Fahrradfahrer. Der Dummy kommt in diesem Fall zwar nicht unter die Räder, aber er landet doch samt seinem Fahrrad unter dem Lkw. Glück im Unglück – bei früheren Versuchen war der Dummy auch schon von den Rädern ab der zweiten Achse überrollt worden. Das Szenario ist typisch für Unfälle mit schweren Lkw auf städtischen Straßen. Die Opfer sind innerorts überwiegend Radfahrer oder Fußgänger, die vom Lkw-Fahrer nicht oder erst viel zu spät wahrgenommen werden, weil sie – trotz der vielen Seitenspiegel am Lkw – die entscheidenden Sekunden im toten Winkel verborgen sind. Bei Verkehrsunfällen mit schweren Lkw haben die Unfallgegner als die Schwächeren schlechteren Karten – nicht nur innerorts.
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Diese Bilder stammen aus früheren Versuchen der UDV
Unfallforscher analysierten Unfälle mit schweren Lkw
Der ersten Konstellation von Außerorts-Unfällen sind gut ein Fünftel aller schweren Lkw-Unfälle zuzurechnen – und rund 30 Prozent der Getöteten. Aber auch bei der zweiten Kategorie, wenn ein Pkw auf einen Lkw auffährt, sind die Folgen für den Auffahrenden oft gravierend, weil der hintere Unterfahrschutz nicht kompatibel ist mit den Schutzmechanismen des Pkw. Dies gilt insbesondere für den versetzten Aufprall. Knautschzonen und Airbags helfen den Insassen nur wenig, weil sie nicht optimal wirken können.
Forderungen der Unfallforschung
Um das Risiko auffahrender Lkw zu senken, sollte die Gesetzgebung angepasst werden, um die Wirksamkeit des schon heute vorgeschriebenen Notbremssystems deutlich zu erhöhen. Das heißt, das System darf nicht dauerhaft deaktivierbar sein, sollte auch bei stehenden Zielen vollständig abbremsen, einspurige Fahrzeuge und Fußgänger erkennen und bei maximal erreichbarer Geschwindigkeit des Fahrzeugs getestet werden. Das ist alles technisch machbar, braucht aber wohl zur Marktdurchdringung entsprechende Vorschriften des Gesetzgebers.
Bei Abbiegeunfällen hilft ein Elektronischer Abbiege-Assistent für Lkw weiter, bei dem der Gesetzgeber mindestens eine warnende Funktion vorschreibt. Besser noch wäre ein vorgeschriebenes System mit Notbremsfunktion – und die Ausstattungspflicht müsste auch für Bau- und Entsorgungsfahrzeuge gelten. Kamera-Monitor-Systeme könnten eine Übergangslösung sein. Die bislang schon vorgeschriebenen Spiegel reichen definitiv nicht aus. In die Pflicht nehmen die Unfallforscher aber auch die Kommunen: Die Radwegführung gehöre in Einmündungsbereichen direkt an die Fahrbahn, so die Experten.
An ihre Grenzen stoßen zumindest die technischen Maßnahmen dort, wo ausländischen Lkw auf deutschen Straßen unterwegs sind, die nicht in dem Maße deutscher Gesetzgebung unterliegen wie die einheimischen Lkw. „Mit deutscher Zulassung sind überwiegend neue Lkw unterwegs“, erklärte Siegfried Brockmann. Über drei Viertel der Lkw seien jünger als 7 Jahre. Bei den mit ausländischen Kennzeichen fahrenden wäre dies anders: „Dorthin werden die ausgemusterten deutschen Lkw oft verkauft“, so Brockmann. Mit neuen Kennzeichen sei dann alte und veraltete Technik doch wieder auf deutschen Straßen unterwegs.
Weitere Forderungen der Unfallforscher treffen direkt alle auf Deutschland Autobahnen fahrenden Güterkraftfahrzeuge: Mehr Kontrollen bei Lenk- und Ruhezeiten, Geschwindigkeits- und Abstandskontrollen – und mehr Rastplatzkapazitäten mit Parkplätzen für Lkw-Fahrer, damit diese die vorgeschriebenen Ruhezeiten auch einhalten können, ohne dabei andere zu gefährden. Gerade die fehlenden Lkw-Parkplätze an Fernstraßen sind auch in diesem Forum schon häufiger angesprochen worden.
*) GDV Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft
© 2017 Petra Grünendahl (Text und Fotos)
Film: Unfallforschung der Versicherer
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