Autofahrten mit kleinen Kindern: Durch die richtige Sitzposition Sicherheit erhöhen

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Anlässlich des Tags der Kindersicherheit empfehlen Orthopäden und Unfallchirurgen, Kinder bis zum vollendeten dritten Lebensjahr in einem rückwärtsgerichteten Kindersitz im PKW mitfahren zu lassen und damit über den bisher gültigen Rahmen hinauszugehen. Neben der Sitzposition ist die Verwendung eines für Alter und Körpergröße richtigen Kindersitzes wichtig. Außerdem ist eine verantwortungsvolle Fahrweise der Eltern geboten. „Viele Unfälle ließen sich durch angepasstes Fahren verhindern, dies betrifft auch Eltern. Wenn es zum Unfall kommt, spielen meist die hohe Geschwindigkeit und Ablenkung eine Rolle, vor allem bei Benutzung des Handys. Leider auch, wenn Kinder an Bord sind“, sagt Prof. Dr. Benedikt Friemert, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Gestützt werden die Aussagen durch eine aktuelle Studie1 mit Daten aus dem TraumaRegister DGU®.

In vielen jungen Familien ist es eine wiederkehrende Frage: Welche Kindersitze und Sitzarten sind für die ersten Fahrten mit dem Auto richtig, um die Sicherheit für Kinder im PKW zu erhöhen? Vorwärts oder rückwärts? Aus medizinisch-fachlicher Sicht wäre es sinnvoll, das Alter für den Rückwärtstransport auf drei Jahre anzuheben. Eine rückwärtsgerichtete Sicherung von Kindern bietet bei einem Aufprall Vorteile, da die Belastung breitflächig über den Rumpf des Kindes verteilt übertragen wird und somit erhöhte Kräfte, die auf die Halswirbelsäule, den Kopf und den Bauch punktuell einwirken, abgeschwächt werden können. Wichtiger noch als das alleinige rückwärtsgerichtete Transportieren von Kindern ist vor allem die Verwendung eines alters- und körpergrößenspezifisch richtigen Kindersitzes unter Beachtung der i-Size-Norm, die eine Einteilung der Kindersitzklassen nach Körpergröße vornimmt.

Tipps von Unfallchirurgen für den Transport von Kindern bis zum 3. Lebensjahr

  1. Babys und Kleinkinder bis einschließlich drei Jahren rückwärts transportieren
  2. Kinder grundsätzlich ordnungsgemäß in geeigneten Kinder-Autositzen sichern
  3. Hierbei auf die neue i-Size-Norm achten, das heißt der Körpergröße des Kindes angepasst
  4. Ältere Kinder mit einem Drei-Punkt-Gurtsystem sichern
  5. Auf den aktuellen Sicherheitsstandard bei Kindersitzen achten wie Seitenaufprallschutz oder ISOFIX-Befestigungssystem

Nach der aktuellsten i-Size-Norm müssen Kinder bis 15 Monate gegen die Fahrtrichtung transportiert werden.2 Je später der Wechsel in einen nach vorn gerichteten Kindersitz, desto besser. „Das reduziert die Verletzungsgefahr bei einem Frontalunfall erheblich“, sagt Dr. Christopher Spering, Leiter der DGOU-Sektion Prävention, der an der Erstellung der Studie beteiligt war. Auch wenn die Zahl der Verkehrstoten rückläufig ist, wurden laut Statistischem Bundesamt 7.300 Kinder unter 15 Jahren im Jahr 2020 als Autoinsassen verletzt.3 „Diese Zahlen müssen weiter reduziert werden, im Ausland wird uns bereits vorgemacht, dass das geht“, sagt Spering weiter. Besonders häufig treten Kopf- und Wirbelsäulenverletzungen auf.

Bei der Altersgruppe der 2-3-Jährigen kommt es oft zu schweren Verletzungen als Folge eines falschen Gebrauchs von Autositzen sowie der falschen Verwendung von Rückhaltesystemen. Es kommt zum kritischen sogenannten „U-Boot-Effekt“, wenn der Körper des Kindes unter dem Beckengurt durchrutscht. Der Gurt wirkt dann wie ein Scharnier und als Folge treten gehäuft schwere Bauch- und/oder Wirbelsäulenverletzungen sowie Brüche der Beine auf. Daher sollten für ältere Kinder Beckengurte als alleinige Sicherung vermieden werden und es sollte immer auf ein sogenanntes Dreipunkt-System geachtet werden.

Die DOGU empfiehlt, das Thema Kindertransport auch zum Gegenstand der Fahrausbildung zu machen. Auch würde eine breitere öffentliche Aufklärung helfen, für das Thema und vermeidbare Fehler zu sensibilisieren. Gerade weil viele Kindersitze nicht nur neu angeschafft werden, sondern auch gebraucht, sind Eltern häufig nicht hinreichend über die aktuellen Sicherheitsstandards und sinnvollen Ausstattungsmerkmale informiert.

Hintergrund
Derzeit gelten in der EU drei Kindersitz-Normen: ECE R 44/03, ECE R 44/04 und ECE R 129. Die sogenannte i-Size-Norm ist Bestandteil der Prüfnorm ECE R 129. Sie regelt, dass Kindersitzklassen nach Körpergröße eingeteilt werden und nicht mehr nach Körpergewicht wie vorher.

Quellen
1) Studie: Die Datenerfassung erfolgte über das TraumaRegister DGU® (TR-DGU) im Zeitraum von 2010 bis 2019. Erfasst wurden Kinder im Alter von 0 bis 5 Jahren, die als PKW-Insassen bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt wurden und in ein TraumaZentrum® DGU transportiert wurden. European Journal of Trauma and Emergency Surgery I https://doi.org/10.1007/s00068-022-01917-y. Prevention of severe injuries of child passengers in motor vehicle accidents: is re‑boarding sufficient? Christopher Spering · Gerd Müller · László Füzesi · Bertil Bouillon · Hauke Rüther · Wolfgang Lehmann · Rolf Lefering · and Section of Injury Prevention DGOU · and TraumaRegister DGU®
2) ADAC
3) Statistisches Bundesamt
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) e.V.
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