Motorräder und Quads: Auto und Motorrad – Auf Kollisionskurs? (Wildhaus 2004)

Von Petra Grünendahl

si-dekra2004hDie Motorradsaison reicht vom März bis in den Oktober. In Deutschland sind heute 3,7 Mio. Motorräder (KBA, Stand 2002) unterwegs, über 26.000 Motorradunfälle mit Personenschaden wurden 2002 aktenkundig. Motorradunfälle werden zu zwei Dritteln durch Autofahrer verursacht, typisch sind Abbiege- oder Kreuzungsunfälle (gut zwei Drittel aller Pkw-Motorrad-Kollisionen), weil das Zweirad trotz Abblendlicht schlicht übersehen wird. Nur gut 20 Prozent gehen auf das Konto der Motorradfahrer bzw. sind so genannte Alleinunfälle (also ohne zweiten Beteiligten).

si-dekra2004iKritisch ist für Motorradfahrer der Trend zu höheren Autos wie Vans. Kopf und Oberkörper prallen an die Karosserie, wo man bei einem Frontalcrash mit einem Pkw über die Motorhaube hinweggleiten könnte. Steile, hohe Fahrzeugfronten behindern die Flugbahn des Motorradfahrers. Beim Seitencrash erhöht sich auch das Verletzungsrisiko im Auto, da dort keine Knautschzone ist und Seitenairbags primär auf den Aufprall eines Pkw ausgelegt sind.

Wichtig für Motorradfahrer sind vor allem zwei Sicherheitsfeatures, die beim Motorrad noch nicht Standard sind, aber nach Meinung der Dekra-Unfallforscher unbedingt sein müssten. Das ist zum einen das ABS, denn das „Nichtbeherrschen der Bremsleistung des Motorrades ist eine der Hauptunfallursachen“, so Anton Brunner, Leiter der Unfallforschung der Winterthur Versicherungen. Selbst routinierte Fahrer sind in einer Schrecksituation ohne ABS häufig überfordert, die Bremsleistung korrekt zu dosieren, ohne die Gewalt über die Maschine zu verlieren.

si-dekra2004gZweites wichtiges Sicherheitsfeature ist der Airbag, der im Pkw mittlerweile Standard ist. Auch auf dem Zweirad kann er Unfallfolgen mindern, indem er den Motorradfahrer anhebt und über dem kollidierenden Fahrzeug hinweghebt, was besonders bei höheren Fahrzeugen das Verletzungsrisiko stark mindert.

Besonders kritisch sind auch Kollisionen von Pkw und Quad, da Fahrer solcher offenen Vierradfahrzeuge bislang noch keiner Helmpflicht unterliegen. Wenn sich nicht abzeichnet, dass die Fahrer von Quads eigenständig (und in ihrem eigenem Interesse) an ihre Sicherheit denken, ist hier der Gesetzgeber gefordert.

Frontkollision / Abbiegeunfall
Hier geht es zum Film:
https://www.youtube.com/watch?v=p05xCu5JsVI
si-dekra2004bKlassisch ist die frontale Kollision, ein typischer Abbiegefehler: Der entgegenkommende Linksabbieger übersieht das vorfahrtsberechtigte Motorrad. Der Van hat vor dem Abbiegen abgebremst und biegt mit etwa 20 km/h ab, der entgegenkommende Motorradfahrer mit Sozius ist mit Tempo 60 unterwegs, als er auf den Van trifft.
si-dekra2004eDie beiden Motorradfahrer werden vom Fahrzeug geschleudert und steigen entlang der Fahrzeugfront hoch. Bei einem Pkw mit niedriger, flacher Front wären die beiden über die Motorhaube hinweg geglitten. Die Schutzkleidung der Motorradfahrer kommt hier voll zum Tragen und mindert das Verletzungsrisiko. Dennoch erleiden beide mittlere Verletzungen.
Seitenkollision / Kreuzungsunfall
Hier geht es zum Film:
https://www.youtube.com/watch?v=QhvIpDtwwWs
si-dekra2004cEin etwa 30 km/h schneller Van kreuzt den Weg eines ca. 60 km/h fahrenden Motorrades. Der Motorradfahrer prallt in die Seite des hoch gebauten Autos. Er muss mit Kopf- und Brustverletzungen rechnen. Ein Motorradairbag hätte ihn über den Gefahrenbereich hinausgehoben.
si-dekra2004fDie Pkw-Insassen auf der Beifahrerseite würden durch den eindringenden Motorradfahrer ebenfalls erhebliche Verletzungen am Kopf und Oberkörper erleiden. Der Auslösemechanismus ist primär auf Kollisionen mit einem Pkw ausgelegt und entfalten ihr Schutzpotenzial hier unter Umständen gar nicht.
Heckkollision eines Quad mit einem Kombi / Auffahrunfall
Hier geht es zum Film:
https://www.youtube.com/watch?v=iIIKYMNvJzA
si-dekra2004aQuads sind vierrädrige „Geländemotorräder“, die ursprünglich auch den USA stammen, aber mittlerweile auch in Deutschland mehr Verbreitung finden. Laut Zulassungsvorschriften gelten sie in Deutschland als „vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge“ und sind damit auch für den Straßenverkehr zugelassen. Zum Führen eines solchen Fahrzeuges, welches bei einer Höchstgeschwindigkeit von mindestens 60 km/h sogar auf die Autobahn dürfen, reicht der Führerschein Klasse B (alte Klasse 3). Mit dem Führerschein Klasse S ist das Führen eines auf 45 km/h begrenzten Quads möglich. Eine Helmpflicht besteht ebenso wenig wie Vorschriften zum Tragen von Schutzkleidung. Mehr Informationen zum Quad haben Dekra und Winterthur hier für Sie zusammengestellt.

si-dekra2004dDas Unfallszenario ist ein klassischer Auffahrunfall: Ein Quad prallt mit knapp 60 km/h ins Heck eines stehenden Pkw-Kombis. Der Fahrer des Quad trägt weder Helm noch Schutzkleidung. Er muss mit gravierenden Verletzungen an Kopf, Unterleib und Oberschenkeln rechnen. Helm und Schutzkleidung würden die Verletzungsrisiken stark minimieren.

 

Sicherheitstipps für ein partnerschaftliches Miteinander  auf der Straße haben die Dekra- und Winterthur-Unfallforscher sowohl für Autofahrer als auch für Motorradfahrer zusammengestellt.

© 2004 Petra Grünendahl,
Fotos: Dekra/Winterthur
Filme: Dekra (3)

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