Unfallforscher Langwieder: Wir müssen echte Unfälle untersuchen

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Bereits zum zwölften Mal trafen sich international führende Experten für Kindersicherheit im Auto auf der Konferenz „Protection of Children in Cars“. Sie gilt als weltweit wichtigstes Forum für den Austausch neuester Forschungsergebnisse. Die rund 160 Teilnehmer der zweitägigen Veranstaltung in der TÜV SÜD-Konzernzentrale in München kamen unter anderem von Autoherstellern, Behörden, Versicherungen und Verbänden.

„Autos werden für Erwachsene gebaut und nicht für Kinder“ – was lange Jahre von Experten für Kindersicherheit beklagt wurde, ändert sich nun. Eine positive Entwicklung, die der Begründer der Münchner Kindersicherheitskonferenz „Protection of Children in Cars“ und renommierte Unfallforscher Prof. Dr. Klaus Langwieder ganz besonders begrüßte. Allein schon die Teilnahme etlicher Vertreter von Automobilherstellern an der Konferenz zeige dies. Ihre Bemühungen, die Rückhaltesysteme von Rücksitzen für alle Altersgruppen geeignet zu machen, zeigte dabei beispielhaft ein Entwickler von Daimler auf.

Von den Anstrengungen der OEM zum Angebot an Kindersitzen: Hier beklagten die Experten, dass Kindersitze häufig nicht dem Stand von Technik und Forschung entsprächen. So seien immer noch so genannte Sitzerhöhungen ohne wirksame Gurtführung und Rückenlehne auf dem Markt. Begrüßt wurden dagegen neue Sitze, die beispielsweise über eine automatische Anzeige der richtigen Gurtspannung verfügen. Sie helfen, eines der größten und langwierigsten Probleme bei der Kindersicherheit zu vermindern, die falsche Anwendung, von den Experten „Misuse“ genannt. Noch im Entwicklungsstadium ist dagegen ein in den Kindersitz integrierter Airbag, den der Hersteller Dorel vorstellte.

Bei der Frage, wie ein Kindersitz im Auto optimal befestigt werden kann, gibt es unterschiedliche Ansätze, wie Vorträge von europäischen und amerikanischen Experten zeigten. Während in der alten Welt das wirksame Isofix-System bevorzugt wird, setzen die Amerikaner auf eine einfachere Lösung namens Latch. Beim Lower Anchors and Tether for Children wird der Kindersitz nicht wie bei Isofix mit starren Rastarmen mit den Haltebügeln des Fahrzeugs verbunden, sondern mit Hilfe von gespannten Gurtbändern. Wegen der weichen Gurtbänder wird dieses System auch als „Soft“-Isofix bezeichnet. Die fahrzeugseitigen Latch-Verbindungen müssen in den USA seit 2002 in Neuwagen vorhanden sein, während Isofix nicht verpflichtend ist.

Apropos verpflichtend: Als Zulassungsvorschrift und damit Kauforientierung für Kindersitze gilt neben der ECE R44 auch die neue ECE R129. Wesentlicher Unterschied ist, dass nicht mehr das Gewicht, sondern die Körpergröße des Kindes für die Auswahl des Kindersitzes ausschlaggebend ist. Beide Regelungen gelten zunächst parallel. In seinem Schlusswort setzte sich Prof. Dr. Klaus Langwieder dafür ein, die Harmonisierung von Vorschriften und Prüfverfahren fortzusetzen.

Mehr Harmonie auch für Dummys. Bei allen Verbesserungen der zurückliegenden Jahrzehnte scheinen nämlich ideale Dummys und Crashverfahren noch nicht gefunden. Vergleichende Crashtests aus Nordamerika mit dem in den USA gebräuchlichen Kinder-Dummy Hybrid III und seinem europäischen „Kollegen“ Q10 belegen die Unterschiede. Hier gebe es noch Analysebedarf, betonten die Fachleute.

Die von etlichen Experten nach dem Gründer auch „Langwieder-Konferenz“ genannte Veranstaltung von TÜV SÜD befasste sich jedoch nicht nur mit technischen und medizinischen Fragen. Einen Schwerpunkt bildeten soziokulturelle Aspekte. So berichtete eine australische Expertin über eine Untersuchung in Malaysia, nach der kein einziges gesichertes Kind in einem Auto gesichtet wurde. Entsprechend groß ist die Anzahl der bei Unfällen getöteten Kinder eine der höchsten der Welt. Den Gegensatz dazu zeigte ein Vortrag eines Experten aus Finnland, wo 2013 kein Kind unter sechs Jahren im Auto zu Tode kam. Forscher aus Frankreich wiederum untersuchten, auf welchen Fahrten und unter welchen Umständen Kinder bei Unfällen zu Schaden kamen.

Solche Auswertungen sind Langwieder wichtig und er regte ihre Fortsetzung an: „Wir brauchen weitere Unfallforschung und Untersuchung echter Unfälle“, sagte er zum Abschluss der Konferenz. Wichtig sei auch die Einbeziehung der neuen, aufstrebenden Märkte in die Bemühungen.

– Pressemeldung des TÜV Süd –