Kleinwagen-Cabrios: Kleine Flitzer offen unterwegs (Wildhaus 2007)

Von Petra Grünendahl

Cabrios sind beliebt, vor allem in Deutschland. Fast 1,8 Mio. der in Deutschland zugelassenen Pkw sind Cabrios (3,8 Prozent), über 144.000 wurden 2006 neu zugelassen (4,2 Prozent). Dank Stahlfaltdach oder hochwertigerer Gestaltung und verbesserter Dämmung der Stoffverdecke sind sie heute sogar häufig ganzjährig unterwegs, denn auch an sonnigen oder wärmeren Wintertagen lässt es sich gut offen fahren.

Das Fahren unter freiem Himmel birgt gewisse Risiken. Einige dieser Risiken zeigen aktuelle Crashtests der Unfallforschung von Dekra und AXA-Winterthur-Versicherung. So stellt zum Beispiel das fehlende Stahldach einen Konstruktionsnachteil gegenüber geschlossenen Limousinen dar, der irgendwo ausgeglichen werden muss. Ein besonderer Schwerpunkt lag bei diesen Tests bei den Kleinwagen, in denen Passagiere durch den engeren Innenraum natürlich zusätzlichen Risiken ausgesetzt sind. Vier Risiko-Bereiche sind dabei besonders beleuchtet worden.

 
 

1. Crash: Seitenkollision

si-dekra2007_1Zweitürige Cabrios haben meist längere Türen als Vier- oder Fünftürer. Das schwächt die Steifigkeit der Seitenpartien. Bei einer Kollision wird die Seitenpartie deshalb verhältnismäßig stark eingedrückt, was die Verletzungsgefahr im Beckenbereich deutlich erhöht.

 
 

si-dekra2007_2Die Kontrahenten im ersten Crash sind passend gewählt: der Kleinwagen Ford Ka ist mit Tempo 60 unterwegs und fährt dem Kleinwagen-Cabrio StreetKa, das sich mit 30 km/h bewegt, in die Seite. Die Insassen im offenen Ka neigen sich bei der Kollision stark zum auffahrenden Fahrzeug hin. Der Kopf des Cabrio-Insassen auf der Kollisionsseite kann auf die Motorhaube des eindringenden Fahrzeugs schlagen, bei ihm sind zudem schwere Beckenverletzungen zu erwarten. Seitenairbags boten hier kaum Schutz, zumal die Seitenscheiben heruntergefahren waren und entsprechend der Halt nach außen fehlte. Im Extremfall kann sich das Cabrio sogar überschlagen.

 
 

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2. Crash: Frontalkollision

si-dekra2007_4Durch das fehlende Stahldach sind Cabrios in punkto Steifigkeit gegenüber geschlossenen Karosserien benachteiligt. Da sind im Cabrio zusätzliche Verstärkungen vonnöten in Form von Trägern im Unterbodenbereich. Dies hat zur Folge, dass die Cabrios schwerer sind als ihre Limousinen-Pendants (Punto 914 kg, Punto Cabrio 1.146 kg).

 
 

si-dekra2007_5Auch bei dieser zweiten Kollision stehen sich typgleiche Kleinwagen gegenüber, beides sind Fiat Puntos der Generation 1993-1997. Frontal prallen die beiden mit 50 km/h fahrenden Fahrzeuge mit Teilüberdeckung aufeinander.

 
 

si-dekra2007_6Der offene Punto mit zusätzlichen Längsträgern im Unterboden verformt sich bei der Kollision nicht so stark wie der geschlossene. Die insgesamt steifere Karosserie leistet mehr Widerstand, die Fahrgastzelle des Cabrio bleibt nahezu unversehrt und sichert den Überlebensraum für die Passagiere.

 
 

si-dekra2007_7Trotz der in beiden Fahrzeugen identischen Rückhaltesysteme (Gurtstraffer, Airbags) sind die Kopfbelastungen beim Fahrerdummy im geschlossenen Punto deutlich höher als im Cabrio.

 
 
 
 

3. Crash: Auffahrunfall

si-dekra2007_8Ungleiche Kräfteverhältnisse kennzeichnen den dritten Crash. Dem stehenden Daihatsu Copen fährt ein „kleiner“ Geländewagen vom Typ Suzuki Vitara mit Tempo 60 ungebremst in das Heck. – Kleiner Geländewagen? Na ja, sind 3,75 m Länge mit über 1,2 t Leergewicht klein? Ok, es gibt größere …

Besonderheit des offenen Zweisitzers ist das versenkbare Stahldach, wie es heutzutage in vielen Kleinwagen-Cabrios anzutreffen ist. Das versenkbare Stahldach garantiert die Alltagstauglichkeit des Fahrzeugs über das ganze Jahr.

si-dekra2007_9Das Heck wird massiv zusammengedrückt. Der Fahrer prallt heftig auf die Kopfstütze, die wiederum zu dicht am Überrollbügel steht und auf diesem aufschlägt. Hohe Belastung am Kopf deuten auf schwere Kopfverletzungen bei einem Realunfall hin.

 
 

si-dekra2007_10Vom versenkbaren Blechdach kann eine weitere Gefahr ausgehen. Es wird nämlich durch den Aufprall nach vorne geschoben und kann – sollte es nicht genügend abgefangen werden – in den Fahrgastraum eindringend. Auch hier sind die Überrollbügel gefordert zu verhindern, dass das Dachteile in den Passagierraum dringen.

 
 

4. Crash: Überschlag

si-dekra2007_11Hier ging es nicht einmal speziell und die Klasse der Kleinwagen-Cabrios, sondern eher um das Überschlagsrisiko allgemein, speziell aber in älteren Cabrios ohne Überrollbügel. Wobei man aber vielleicht auch anmerken sollte, dass selbst vorhandene Überrollbügel in alten Cabrios lange nicht aus solch hochfesten Stählen geformt wurden, wie sie heutzutage im Automobilbau üblich sind, und sie damit auch keinen zeitgemäßen Überschlagschutz mehr bieten …

Ein MX-5 wird bei 40 km/h zum Überschlagen gebracht. Es handelt sich um einen Mazda MX-5 der ersten Generation ohne separaten Überrollbügel. Auch die A-Säule war damals noch nicht als Überrollschutz ausgelegt. Entsprechend verringert sich der Überlebensraum der Insassen beim Überschlag und der anschließenden Landung auf dem nicht vorhandenen Dach …

si-dekra2007_12Hier hat sich viel getan in den letzten Jahren. Die unschönen Überrollbügel früherer Jahre sind kleiner geworden (jeder Sitz hat beim Zweisitzer hinter den Kopfstützen seinen eigenen) oder auch vielfach nicht mehr sichtbar, sie schießen im Falle eines Überschlags aber dafür in Sekundenschnelle hinter den Kopfstützen hoch. Auch der Frontscheibenrahmen ist vielfach als Überrollschutz ausgelegt und massiv verstärkt worden.

Der Frontscheibenrahmen des aktuellen Mazda MX-5 besteht aus ultra-hochfesten Stählen höchster Güte. Ein zusätzlicher Überschlagschutz hinter den Kopfstützen würde allerdings die Sicherheit noch erhöhen, da sich dieser Bügel dichter am Kopf befindet als der obere Frontscheibenrahmen.

Zu achten wäre aber seitens des Cabrio-Käufers immer noch darauf, dass sich die Sitze so einstellen lassen, dass der Überrollschutz über Kopfhöhe ist und nicht darunter. Ragt der Kopf nämlich über die Überrollbügel hinter den Kopfstützen hinaus, helfen diese im Falle eines Überschlags herzlich wenig.

 

Fazit: Worauf man speziell beim Kauf eines Cabrios aus Sicherheitsgründen achten sollte

  1. Die Sitze und die Kopfstützen sollten höhenverstellbar sein. Größere Insassen sollten nämlich so untergebracht sein, dass Kopfstützen-Oberkante und Überrollschutz über ihrem Scheitel liegen.
  2. Überrollbügel sollten vorhanden sein, um die Insassen bei einem Überschlag vor dem direkten Bodenkontakt zu bewahren. Immer häufiger gibt es heutzutage versenkbare Überrollbügel, die die Optik nicht stören, im Falle eines Überschlags aber in Sekundenbruchteilen in Position gehen.

© 2007 Petra Grünendahl, Fotos: Dekra / AXA-Winterthur

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