Orthopäden und Unfallchirurgen sehen den ‚Motorradführerschein light‘ kritisch

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer plant laut Preseberichten eine Neuregelung der Fahrerlaubnis fürs Motorradfahren. Wer einen Führerschein der Klasse B hat, soll demnach künftig keine zusätzliche Ausbildung und Prüfung benötigen, um Leichtkrafträder mit bis zu 125 Kubikzentimeter und bis zu einer Geschwindigkeit von 100 km/h zu fahren. Zum Führen solcher Fahrzeuge kann man mit 16 Jahren den Motorradführerschein Klasse A1 machen – nach einer Fahrschulausbildung mit Theorie und Praxis und den entsprechenden Prüfungen! Nun kommt der Vorschlag aus dem Verkehrsministerium, mit ein Autofahrer mit mindestens 25 Jahren, der fünf Jahre im Besitz seiner Fahrerlaubnis ist, lediglich fünf praktische Fahrstunden und eine 90-minütige Theorieeinheit ohne weiteren Nachweis der Fahreignung stärker motorisierte Zweiräder () führen zu dürfen. Der Theorieunterricht keine Inhalte wie „Schutz des Fahrers“, „Besondere Gefahren“ und „Fahrtechnik und Fahrphysik“. Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) e.V. äußerte Kritik an diesen Plänen.

Statement von Prof. Dr. Paul A. Grützner, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und Ärztlicher Direktor der BG Klinik Ludwigshafen sowie Direktor der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie:
„Wir brauchen mehr Verkehrssicherheit und nicht weniger. Motorradfahrer haben unter allen Verkehrsteilnehmern das größte Risiko, tödlich verletzt zu werden. Motorradfahren erfordert Übung und ein ordentliches Maß an Gefahrenbewusstsein. Aber mit dem ‚Motorradführerschein light‘ wird der Anschein erweckt, Motorradfahren könne jeder und bürge keinerlei Risiken. Auf keinen Fall dürfen wir riskieren, dass hier die Unfallzahlen hoch gehen durch einen leichtfertigen Zugang zum Motorradfahren.“

Statement von Prof. Dr. Dietmar Pennig, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) sowie Stellvertretender Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und Chefarzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Handchirurgie und Orthopädie am St. Vinzenz-Hospital:
„Die aktuelle verkehrspolitische Planung ist besorgniserregend. Die DGOU sieht die Freigabe von Motorrädern ohne qualifizierte Vorbereitung ausgesprochen kritisch. Wir sehen die Gefahr, dass ohne Fahrpraxis und Fahrsicherheitstraining die Unfallgefahr steigt. Die Freigabe von Motorrädern bis 125 ccm ohne Schulung mit Prüfung ist fahrlässig. Den Fahrern fehlt die Gefahreneinschätzung, die nur eine strukturierte Ausbildung und entsprechende Praxis leisten können. Nach der Einführung von E-Scootern ist dies eine weitere Planung, die nur zur Erhöhung der Unfallzahlen führen kann.“

Statement von Dr. Christopher Spering, Leiter der DGOU-Sektion Prävention und Oberarzt an der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Plastische Chirurgie der Universitätsmedizin Göttingen:
„Motorradfahrer gehören zur Gruppe der ungeschützten Verkehrsteilnehmer. Sie haben keine Knautschzone und sind daher besonders verletzungsgefährdet. Im TraumaRegister DGU® der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) werden nahezu komplett alle Schwerverletzten in Deutschland erfasst. Diese Daten zeigen, dass vor allem im Frühjahr viele Motorradfahrer verunglücken. Das spricht für die fehlende Übung während der Wintermonate. Sollen nun also völlig Ungeübte ein Motorrad führen können, konterkariert das alle bisherigen Präventionsmaßnahmen für Fahrer mit Motorradführerschein.“
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) e.V.