Dekra-Crashtest in Wildhaus 2008: Kinder auf Achse – Trügerische Sicherheit im Straßenverkehr

si-dekra2008_2cKinder sind die schwächsten Verkehrsteilnehmer, egal ob als Fußgänger,
Radfahrer, Inline-Skater oder Mitfahrer in einem Auto. Kinder nehmen das
Verkehrsgeschehen anders war und sie reagieren auch anders. Außerdem ist
ein Kinderkörper im Zweifelsfalle weniger widerstandsfähig als der eines
Erwachsenen, was schnell den Unterschied zwischen Leben und Tod machen
kann. Verschiedene Maßnahmen haben dafür gesorgt, dass sich die Zahl der
im Verkehr getöteten Kinder in den letzten 10 Jahren halbiert hat.
Dennoch: Jedes Kind, das bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt, ist
eines zu viel!

Die gemeinsame Unfallforschung der Prüforganisation Dekra und der schweizerische
Versicherungsgruppe Axa Winterthur hat sich in diesem Jahr in einer Studie
mit den Gefahren für Kinder im Straßenverkehr beschäftigt. Dass man
Kinder nicht anbinden oder fernsteuern kann, ist klar. Aber vielfach sind
es Erwachsene, die aus Gedankenlosigkeit oder Leichtsinn Kinder erst in
Gefahr bringen.

si-dekra2008_2dIm Fahrzeug ist die Pflicht, für kleinere Kinder geeignete Rückhaltesysteme
zu nutzen, schon ein richtiger Schritt in die richtige Richtung! Nur sind
durch Nachlässigkeit der Eltern bei der Sicherungspflicht und durch
falschen Einbau immer noch viel zu viele Kinder gefährdet. Und als
Pkw-Insassen verunglücken mit 33 Prozent immerhin ein Drittel der Kinder
unter 15 Jahren! Hier sind die Eltern gefordert – und hier besteht
enormes Verbesserungspotenzial! Und das gilt auch für Kurzstrecken!

Beim Beladen speziell von Kombis oder Vans sollten Fahrzeugführer
auf die Sicherung der Ladung achten, sonst kann bei einer Vollbremsung
oder Kollision die Ladung als Geschoss durch den Innenraum fliegen bzw.
mit einem vielfachen ihres Eigengewichtes in die Rückbanklehne rauschen
und die Insassen auf den Rücksitzen schwer verletzen.

si-dekra2008_3dGefordert sind aber auch die Autofahrer, ihr Verhalten auf das der Kinder
einzustellen: Kinder vergessen beim Spielen schon mal alles um sich herum,
sie laufen dann plötzlich dem Ball nach, der auf die Straße rollt. Und
sie können durch ihren anderen Blickwinkel und ihr eingeengtes
Geschichtsfeld Autos nicht sehen, Entfernungen und Geschwindigkeiten
schlechter einschätzen. Auch ein Autofahrer sieht die Kleinen, wenn sie
hinter einem Auto hervorkommen, erst spät. Hoffentlich nicht zu spät!
Schon Tempo 30 kann in einer Wohnstraße zu viel sein!

si-dekra2008_2aGut 35 Prozent der in Deutschland verunglückten Kinder unter 15 Jahren (2006)
waren mit dem Fahrrad unterwegs, als Fahrer, auf einem Kindersitz oder
einem Trailerbike. Ein Trailerbike hat kein Vorderrad und wird an ein
richtiges Fahrrad angehängt wie ein Trailer (Anhänger). Das auf diese
Weise mitgeführte Kind kann aktive die Pedalen treten, aber es kann nicht
lenken und sich unerwünscht selbstständig machen.

si-dekra2008_1aAuf Fahrradwegen oder verkehrsarmen Straßen ist man damit relativ sicher
unterwegs, aber im normalen Stadtverkehr wird man eher als
Verkehrshindernis betrachtet. Drängeln und riskante Überholmanöver können
zu Auffahr- oder Abbiegeunfällen führen. Dass ohne Fahrradhelm nicht in
die Pedalen getreten wird, ist hoffentlich überflüssig zu sagen. Aber
dieser Helm kann nur Unfallfolgen mindern, verhindern kann er sie nicht.
Eltern sollten auch darauf achten, dass das Kind auffällige,
kontrastreiche Kleidung trägt und das Fahrrad verkehrssicher ist.

 
 

1. Crash: Heckanstoß Trailerbike

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si-dekra2008_1cEin Peugeot 206 fährt mit rund 60 km/h auf ein Trailerbike auf. Das Tandem-ähnliche Fahrrad bewegt sich mit ca. 20 km/h. Durch den Aufprall werden beide Radfahrer erst auf die Motorhaube und – nach dem Bremsen – auf die Straße geschleudert. Der Kinderfahrradhelm ist durch den Aufprall stark beschädigt, hat aber zur Minderung der Kopfbelastung beigetragen.
 

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Der Aufprall verursacht im Fahrzeug kaum mehr Verzögerung als eine Notbremsung. Entsprechend geschieht die Kollision ohne Folgen für den Autofahrer.
 
 
 
 
 
 
 
 

2. Crash: Frontalkollision Inline-Skater

si-dekra2008_2bEin Kind läuft auf Inline-Skates zwischen geparkten Autos mit ca. 20 km/h hinaus auf die Straße. Der Fahrer eines Renault Twingo, der mit etwa 50 km/h unterwegs ist, kann wegen der Sichtbehinderung durch die parkenden Autos nicht mehr rechtzeitig reagieren. Der Aufprall erfolgt mit nur wenig verminderter Geschwindigkeit und schleudert das Kind nach vorne weg.

si-dekra2008_2eDie Fahrzeugfront erfasst Becken, Brust und Kopf des Kindes. Es gleitet erst die Motorhaube und Fronscheibe hoch, nach der Bremsung stürzt es auf den Boden. Die Belastung auf das ungeschützte Becken ist groß, ebenso die auf den mit einem Helm geschützten Kopf.
 
 

si-dekra2008_2fZwar wird das Fahrzeug im Moment der Kollision stark abgebremst (Notbremsung), aber nennenswert höhere Verzögerungen treten wie auch im ersten Crash nicht auf. Die Fahrzeuginsassen bleiben unverletzt.
 
 
 
 
 
 
 

3. Crash: Frontalkollision Cabrio – Kombi

si-dekra2008_3aLeichtsinn hoch drei ist das, was manche Eltern Ihren Kindern auch heutzutage noch im Auto erlauben: Nicht angeschnallt toben sie auf der Rückbank herum. Oder sie stehen – wie hier – im Cabrio zwischen den Vordersitzen.

Leichtsinn für die Passagiere in der zweiten Reihe ist aber auch in Kombis oder Vans nicht gesicherte Ladung im Gepäckraum. Das Cabrio mit dem ungesicherten Kind und der Kombi mit der ungesicherten Ladung kollidieren frontal leicht versetzt (Überdeckung ca. 50 Prozent) mit einer Geschwindigkeit von je 55 km/h.

si-dekra2008_3bDas im Cabrio zwischen den Vordersitzen stehende Kind wird bei der Kollision nach vorne in die Windschutzscheibe und das Armaturenbrett geschleudert. Durch den starken Aufprall am Kopf sind seine Überlebenschancen sehr gering!!!
 

si-dekra2008_3cIm Kombi sind die Wasserkisten fast dachhoch gestapelt. Weder eine Gepäckraumabdeckung noch ein Gepäcktrennnetz oder Gitter trennt die Ladung vom Passagierraum. Von Befestigungen der Kisten über ein Gepäcknetz an Ösen am Gepäckraumboden mal ganz zu schweigen. Da hilft die eigentlich vorschriftsmäßige Sicherung des Kindes auf der Rückbank auch nicht weiter, wenn sich die ungesicherte Ladung selbstständig machen kann. Und die vollen Sprudelkisten entwickeln beim Aufprall nicht nur eine enorme Geschwindigkeit in ihrer Bewegung nach vorne, sondern auch die Wucht von einem mehrfachen ihres eigentlichen Gewichtes.

si-dekra2008_3eDie Ladung gefährdet hier außerdem auch den Fahrer, da die Kisten nach dem Durchbrechen der Rücksitzlehne nur wenig gebremst, aber mit größer werdender Wucht bis an die Vordersitze, einer sogar bis fast ans Armaturenbrett geschleudert werden. – Und das kann man fast von Glück sagen, dass der Fahrer Sprudel in Plastikflaschen geladen hatte. Glasflaschen hätten das Sicherheitsrisiko noch deutlich erhöht!

Fazit
Natürlich sollten Kinder immer wieder daran erinnert werden, nicht ohne zu gucken eine Straße zu überqueren. Aber bei vielen Gelegenheiten bringt nicht das Kind sich selbst in Gefahr, sondern der Leichtsinn und die Gedankenlosigkeit von Erwachsenen. Mehr Aufmerksamkeit und gesunder Menschenverstand könnte hier viele Kinder vor Unfällen und Gesundheitsschäden bewahren!

© September 2008, Petra Grünendahl, Fotos: Dekra / Axa Winterthur

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